Das Licht der noch flach stehenden Morgensonne fällt in kleinen Punkten durch die Jalousie des Wagens. Der Geruch von sauren Gurken hat sich in der Hütte von Sindy Serding und Fanny Bonke bereits ausgebreitet. Es ist gerade einmal acht Uhr morgens, doch die Frauen haben schon rund dreißig Gewürzgurken in Bechern verteilt. Munter sortieren sie Nougat- und Zitronenwaffeln sowie Obst, Kuchen und Müsliriegel. Fanny Bonke schraubt eine Flasche Apfelschorle nach der nächsten auf, füllt Becher über Becher. Schon seit einer halben Stunde sind die Freundinnen am Werkeln. „Der Kuchen wird alle“, da ist sich Sindy Serding schon jetzt sicher. Früher ist sie noch selber beim SZ-Fahrradfest mitgefahren, nun hilft sie seit ein paar Jahren an einem der Verpflegungspunkte mit.

Einige im Kindersitz...

Während die Frauen das Rollo hochkurbeln, schallt „Walking on sunshine“ über den Altmarkt. Nicht nur die Freundinnen sind früh auf den Beinen. Auch an den Anmeldepunkten, dem Wasserstand und bei der Medaillenvergabe sind fleißige Helfer am Werkeln. Über 500 Leute helfen, das Fahrradfest für die Radfahrer so schön und reibungslos wie möglich zu gestalten.

SZ-Fahrradfest-Teilnehmer in Radebeul
Hier vor der Kulisse der Radebeuler Friedensburg: Fast 9 000 Menschen mit grünen Trikots fuhren am Sonntag beim SZ-Fahrradfest durch Sachsen.

„Ich zähl doppelt“, witzelt Xaver Zierer, während er hinter all den Menschen steht, die auf einen der Startschüsse warten. „Zumindest hab ich zwei Gepäckträger und auch zwei Luftballons“, erklärt er und zeigt auf das grüne und das rote Exemplar an seinem Gepäckträger. Zierer begleitet die 15 und die 35 Kilometer langen Touren mit seinem Rad. Einer seiner Kollegen fährt mit dem Anhänger mit. Darin sitzt jedoch kein Kleinkind, sondern liegen Fahrradschläuche und Flickzeug. Viele Pannenhelfer begleiten die Touren und sorgen dafür, dass niemand wegen eines geplatzten Reifens auf der Strecke bleibt.

Viele Radfahrer in grünen Trikots schauen bei Serding und Bonke vorbei und füllen ihre Rucksäcke oder wahlweise auch ihren Fahrradkorb oder den Helm mit dem Proviant. Besonders beliebt: die Waffeln und das Obst. Etwa 1 000 Kilogramm Äpfel, fast dreimal so viele Bananen, fast 16 000 Müsliriegel und etwa 8 000 Stücke Zuckerkuchen liegen an den verschiedenen Verpflegungspunkten bereit und warten darauf, verspeist zu werden.

Die sauren Gurken sind so früh noch nicht so richtig gefragt. Nur der kleine Felix Oskar Nay knabbert genüsslich an dem grünen Gemüse. Die Tränen auf seiner Wange sind gerade erst getrocknet – beim Tollen auf der Hüpfburg ist er hingefallen. Der Zweijährige wird auf dem Kindersitz an der Tour teilnehmen.

Helferinnen am Verpflegungspunkt RadebeulSindy Serding und Fanny Bonke sind befreundet. Schon seit einigen Jahren helfen sie an den Verpflegungspunkten des Fahrradfests. 

Eine andere Fahrradfestteilnehmerin, die noch zu jung ist, um selber in die Pedale zu treten, ist Katharina Zumpe. Die Vierjährige durfte im Anhänger sitzen, während ihre große Schwester, die neunjährige Elisabeth, selber fährt. Ihr Cousin, der siebenjährige Felix, ist mit seiner Familie extra aus München angereist, um bei dem bunten Trubel dabei zu sein. Nach der anstrengenden Fahrt freuen sich die Kinder schon sehr auf die Apfelschorle, während sie in der Schlange stehen. „Ich muss mich wieder mit Kraft auffüllen“, erklärt Felix. „Mein Sitz war hart und die Arme tun weh vom Lenken“, sagt er.

Auch am Verpflegungspunkt in Radebeul sind einige Kinder unter den Fahrradfestteilnehmern. Sie haben sich an die 35 Kilometer lange Strecke gewagt. André und Diana Plischke stehen vor ihrem Tisch und füllen Wasser in Plastikbecher. Seit etwa acht Jahren ist das Ehepaar beim Fahrradfest dabei, wechselt selber mitfahren und mithelfen ab. Schöne Bekanntschaften haben sich daraus schon entwickelt. „Wir haben vorher immer zufällig die Leute vom Supermarkt aus Döbeln getroffen“, erzählt Diana Plischke. „Dieses Jahr haben wir uns ganz bewusst verabredet.“ Und so stehen die Frauen gemeinsam am Wasserstand und lachen fröhlich: „Halten Sie mal Ihr Ohr ran, Sie hören nichts. Das Wasser ist still“, scherzt zum Beispiel André Plischke. Anders als am Versorgungsstand am Altmarkt gehen die Gewürzgurken in Radebeul auf der Festwiese sehr gut weg.

Spontaner Fahrradfest-Teilnehmer aus MexikoAlberto Lira aus Mexiko ist auf Weltreise, wollte eigentlich nur durch Dresden schlendern. Als er all die Fahrräder sah, wollte er unbedingt teilnehmen.

Die fast 9 000 Teilnehmer sind dankbar für die Hilfe, darunter auch Helmut Arnold, der mit seinem Hochrad teilnimmt. „Nur 50 Kilometer“ fährt er heute, in den Vorjahren meisterte er mit einem seiner neun besonderen Fortbewegungsmittel um die 100 Kilometer. Auch Alberto Lira fährt mit. Der Mexikaner macht gerade eine Weltreise. Erst am Morgen rollte sein Zug im Dresdner Hauptbahnhof ein.

... andere auf dem Hochrad

Auf dem Weg durch die Stadt sah er all die grünen Shirts und Fahrräder. Da entschloss sich der 32-Jährige spontan, teilzunehmen. Denn wann immer er es schafft, fährt er Fahrrad. „Mein Vater ist früher immer mit mir Rad gefahren“, erzählt er auf Englisch. „Seitdem er gestorben ist, verbinde ich das mit ihm.“ Als er das erzählt, läuft eine Träne seine Wange herunter – doch dann läuft ein Reggaeton-Lied im Radio.

Er lacht fröhlich und lässt sich den Weg zu seinem Leihrad zeigen. Viele spannende Erfahrungen hat er während seiner Reise schon gesammelt, aber mit Unglauben reagiert er vor allem darauf, dass er hier nachts mit dem Rad unterwegs sein kann, ohne Sorge zu haben, ausgeraubt zu werden. Das ist er aus Mexiko-Stadt anders gewohnt. Deshalb schwingt er sich an diesem Tag auch mit besonders viel Motivation auf das SZ-Bike und tritt auf der AOK-Tour in die Pedale.

Medaillenübergabe im ZielAnne Schmidtke hängte nicht nur dieser jungen Teilnehmerin eine Medaille um. Das sorgte für viele strahlende Kinderaugen.

 

Text: Theresa Hellwig, Fotos: Matthias Rietschel


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