Die Brüder Johannes und Alexander Golle sind schon zum achten Mal beim SZ-Fahrradfest dabei. Der Jüngere muss jedes Jahr mit Toffifee angespornt werden.
Ein Fernseher auf dem Fahrradlenker – das wär’s. Gut, das Gleichgewicht ließe sich dann etwas schlechter halten und auch das Sichtfeld wäre eingeschränkt. Für flimmernde Unterhaltung während der Fahrt kann man das aber schon mal in Kauf nehmen, meint Alexander Golle. Da würde das Radfahren gleich viel mehr Spaß machen. Der Zehnjährige tritt nämlich nicht allzu gerne in die Pedale. Vor allem mit langen Strecken hat er es nicht so. Doch der Blondschopf mag auch Herausforderungen. Deshalb geht er mit seiner Familie am Sonntag beim 21. Fahrradfest der Sächsischen Zeitung an den Start.
Die 30 Kilometer lange AOK PLUS-Tour nach Radebeul soll es werden. Hat sich Alexander das gut überlegt? Während sich der quirlige Junge da noch nicht ganz so sicher ist, hat der Rest der Golles keine Zweifel. Immerhin sind die Dresdner quasi schon Fahrradfest-Profis. Bereits zum achten Mal sind sie bei der Veranstaltung dabei. Bisher haben sich die Eltern und ihre beiden Söhne immer nur an die elf Kilometer lange Freizeittour herangetraut. Die Route kennen sie aber mittlerweile in- und auswendig. Ein neues Ziel muss her.
„In Radebeul war ich noch nie. Ich freue mich schon auf die Tour“, sagt Alexanders älterer Bruder Johannes. Ein bisschen Respekt hat er aber auch, immerhin ist die diesjährige Strecke fast dreimal so lang wie die altbekannte durch Dresden. „Es ist sicher ein tolles Gefühl, wenn man das geschafft hat.“ Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder ist der Zwölfjährige ein Fahrrad-Fan. Jeden Tag fährt er mit seinem schwarz-gelben Rad zum Hans-Erlwein-Gymnasium. Das liegt zwar nur zehn Minuten von der Wohnung in Dresden-Striesen entfernt, dafür lässt sich Johannes aber auch nicht von Schnee oder Minusgraden abschrecken. Er steigt immer aufs Rad.
„Mich kann man am besten mit Süßigkeiten motivieren. Ein Fernseher auf dem Fahrradlenker wäre aber auch richtig cool.“ (Alexander Golle)
Am Sonntag hofft der Sechstklässler auf warme Temperaturen und leichten Regen. Ein Wunsch, der beim Rest der Familie – und sicher auch beim Großteil der anderen Teilnehmer – keinen Anklang findet. „Ich fände das schön, weil der Regen für Abkühlung sorgen würde“, sagt Johannes. In den vergangenen Jahren waren die Golles schon häufiger mit einer Sprühflasche voll kaltem Wasser unterwegs, weil sie die Fahrt so ins Schwitzen brachte.
Mutter Silvia schätzt, dass sie und ihre Männer am Sonntag drei Stunden für die Tour nach Radebeul und zurück brauchen werden. „Wir wollen uns ja nicht quälen. Hauptsache wir kommen ins Ziel, bevor die Veranstaltung zu Ende ist. Das dürften wir aber schaffen“, sagt sie. Eines ist jedoch klar: Während der Fahrt müssen einige Pausen eingelegt werden, um Sorgenkind Alexander bei Laune zu halten.
Wie in den Vorjahren wird der jüngere Spross mit Süßigkeiten angespornt. Silvia Golle setzt auf den regelmäßigen Einsatz von Toffifee. Der Zehnjährige hat außerdem Chips und Cola auf die Proviantliste gesetzt. Beides muss in die Fahrradtasche. Schließlich lässt sich schon der Wunsch mit dem Fernseher auf seinem Lenker nicht in die Tat umsetzen. „Das wäre wirklich cool.“
Es muss ohne gehen. Die Familie hofft, dass die Tour trotzdem gut läuft – oder zumindest besser als im vergangenen Jahr. Da endete die Fahrt nämlich mit einem Sitzstreik und vielen Tränen. „Alexander wollte kurz vor dem Ziel einfach nicht weiter. Es war wirklich schwierig, ihn noch einmal zu motivieren“, erinnert sich Silvia Golle. Johannes und Vater Michael standen schon im Ziel, als sie ihren Jüngsten zur Weiterfahrt bewegen konnte. „Er hat sich dann noch einmal auf sein Rad gequält, und ich habe ihn über die Ziellinie geschoben.“ So weit soll es am Sonntag nicht kommen. Und die Chancen stehen gut. Alexander hat nämlich ein neues Fahrrad mit 21 Gängen. „Außerdem bin ich jetzt zehn und mit zehn schaffe ich das“, sagt der Viertklässler. „Also ich probier’s zumindest.“
Seine Feuerprobe hat das Familien-Nesthäkchen schon hinter sich. Als Alexander vor Kurzem mit seiner Hortgruppe im Spreewald unterwegs war, stand eine 40-Kilometer-Radtour auf dem Programm. Ob er wollte oder nicht, der Junge musste mit – und schaffte die gesamte Distanz. „Es war richtig anstrengend, aber wir haben zum Glück viele Pausen gemacht “
Wer 40 Kilometer bewältigt, der schafft 30 Kilometer doch locker. Alexander hat eigentlich auch nur eine Schwäche. „Er fährt schnell los und irgendwann kann er dann nicht mehr“, sagt Bruder Johannes. „Und dann müssen wir ständig anhalten und warten. Das nervt mich immer total.“ Alexanders anfänglicher Übermut muss dieses Jahr also ein bisschen gebremst werden.
Die Golle-Jungs sind sich einig: Wandern ist blöd.
Vielleicht spornt Alexander aber auch die Aussicht an, bei erneuter Fahrverweigerung von Radebeul bis nach Hause laufen zu müssen. Wandern findet der Grundschüler nämlich noch viel schlimmer als radeln. „Das macht wirklich überhaupt keinen Spaß.“ Bruder Johannes nickt energisch. Die Golle-Jungs sind sich einig: Wandern ist blöd.
Dafür liebt Alexander Fußball – was wiederum sein älterer Bruder nicht verstehen kann. Kicken ist einfach nicht so sein Ding. Während sich Alexander einen neuen Fußball wünscht, träumt Johannes von einem größeren Fahrrad.
Ein Modell ist er sogar schon Probe gefahren. „Ich werde es aber höchstwahrscheinlich erst in ein paar Monaten bekommen“, sagt der Gymnasiast. Was er noch nicht weiß: Die Eltern erfüllen ihm seinen Wunsch früher als gedacht. Das neue Zweirad ist schon gekauft und wird Johannes am Wochenende ein breites Lächeln aufs Gesicht zaubern. Seinen neuen Flitzer bekommt er kurz vor dem Fahrradfest. Somit kann er ihn am Sonntag gleich austesten.
Mit seinem neuen Gefährt wäre der Zwölfjährige auch für längere Touren startklar. Vielleicht wagen sich die Golles beim 22. SZ-Fahrradfest ja an eine noch anspruchsvollere Tour. Denn auch 2017 will die Familie teilnehmen. Vorausgesetzt, am Sonntag läuft alles glatt. „Bisher hatte zum Glück noch nie jemand von uns eine Panne oder einen Radunfall“, sagt Mutter Silvia. Und auch die kleinen Bedenken, was Alexanders Motivation angeht, sind hoffentlich unbegründet. Immerhin ist der jüngste Golle jetzt schon zehn, da kann man alles schaffen. Und ein bisschen freut er sich ja auch auf die Tour. „Die Pausen und das Essen machen Spaß. Und es ist toll, dass man am Ende immer eine Medaille bekommt.“
Interview: Linda Barthel | Fotos: Thomas Kretschel, privat (2)