Werner Starke könnte am Sonntag der älteste Teilnehmer beim SZ-Fahrradfest werden. Hier erzählt der 87-Jährige, was ihn am Radfahren begeistert und welches Geschenk ihm die Radsportlegende Täve Schur einst machte.
Werner Starke war mit 86 Jahren der älteste Teilnehmer beim SZ-Fahrradfest 2022, damals fuhr er die 40-Kilometer-Tour. Seit zehn Jahren ist er begeisterter Fahrradfestler. Auch sonst verbindet er viele Geschichten mit dem Drahtesel. Seit 83 Jahren ist er damit überallhin unterwegs. In diesem Jahr will er wieder eine Tour beim SZ-Fest fahren. Aber keine lange Strecke, vielleicht etwas um die 30 Kilometer. Es könnte sein, dass er mit seinen mittlerweile 87 Jahren also wieder der älteste Teilnehmer ist. Doch es gibt da ein Problem. Welches genau das ist, warum er so gerne Fahrrad fährt und was ihm sein Idol Täve Schur einmal schenkte, erklärt er im Interview.
Im letzten Jahr war Werner Starke aus Dresden der älteste SZ-Fahrradfest-Teilnehmer. Eines seiner größten Idole
war der Radsportprofi Täve Schur. © kairospress
Herr Starke, im vergangenen Jahr waren Sie der älteste SZ-Fahrradfest-Teilnehmer, höchstwahrscheinlich sind Sie es in diesem Jahr wieder. Sie sind doch dabei, oder?
Ja, ich will dieses Jahr wieder teilnehmen. Vor ein paar Tagen war noch sehr unklar, ob ich überhaupt Fahrrad fahren kann, weil ich einen Leistenbruch habe. Ich laufe jetzt mit Leistenband herum. Am 4. Juli werde ich operiert. Deswegen werde ich auf der AOK-PLUS-Tour unterwegs sein, die hat auch nicht so viele Höhenmeter. Dann ist die Belastung nicht so groß. Und ich freue mich, durch die schöne Landschaft des Elbtals zu radeln.
Kommen wir mal zu einer ganz grundlegenden Frage. Warum fahren Sie überhaupt so gerne Fahrrad?
Je langsamer man der Natur begegnet, umso mehr sieht man von ihr. Meine Frau wandert natürlich noch lieber, weil sie da den Blumen noch näher ist. Aber ich sage immer, wenn ich schöne Blumen sehe, kann ich mit dem Fahrrad auch anhalten. Mit dem Auto macht man das ja überhaupt nicht.
Was ist denn Ihre schönste Erinnerung, die Sie mit dem Fahrrad verbinden?
Ich mache mit Freunden fast jeden Mittwoch eine Ausfahrt. Und einmal im Jahr sind wir eine ganze Woche unterwegs und fahren Flüsse abwärts. Die schönste Ausfahrt war, als wir an der Mosel entlanggefahren sind. Wir sind an der Quelle in den Vogesen in Frankreich gestartet, durch Luxemburg gefahren und dann durch Deutschland an der Mosel weiter bis nach Koblenz. Da saßen wir sogar mehr als eine Woche auf unseren Rädern. Das waren aber auch über 700 Kilometer. Im Schnitt sind wir 75 Kilometer pro Tag gefahren.
Sie haben auch oft bei der Friedensfahrt der DDR zugeschaut. Was war da ihr schönstes Erlebnis?
Ja, die Fahrten waren definitiv immer etwas Besonderes für mich. Die Friedensfahrt war ja eine internationale Radfernfahrt durch Polen, Tschechien und die DDR. Das begann immer woanders, mal in Prag, mal in Berlin, mal in Warschau. Und dann gab es die Etappenziele in der DDR, da bin ich immer hingefahren. Einmal stand da mitten im Gedränge plötzlich Täve Schur. Der ist dort als Sieger angekommen, und ich habe gesehen, dass seine Kappe leicht lädiert war. Also bin ich zu ihm hingegangen und habe gefragt: „Och, wo gibt's denn diese wunderschöne Kappe zu kaufen?“ Und er antwortete mir, dass es die nirgends zu kaufen gebe. Man müsse eingetragener Radrennfahrer sein, um so eine zu kriegen. „Aber weißt du, nimm einfach meine“, sagte er dann zu mir. „Ich krieg wieder eine.“ Und seitdem habe ich diese schöne Kappe von Täve Schur.
Sicherlich war Täve Schur ja auch ein Idol für Sie, wie er es für viele gewesen ist. Warum hat Sie diese Radsportveranstaltung denn so begeistert?
Also auf jeden Fall war Täve damals unser Idol. Er war ja auch im Westen als Radsportprofi anerkannt und hat ja auch außerhalb der Friedensfahrt Weltmeisterschaften gewonnen. Da waren auch Spitzenfahrer aus der ganzen Welt dabei, da war er nicht totzuschweigen. Ja, Schur war für alle Jugendliche in der DDR Vorbild und Idol. Und erst recht für Leute, die regelmäßig als Amateure Fahrrad fuhren.
Ganz konkret, Herr Starke: In welchen Situationen nehmen Sie lieber das Auto und lassen Ihr Rad stehen?
Also bei strömendem Regen ziehe ich das Auto auf alle Fälle dem Fahrrad vor. Obwohl ich größere Touren alle mit Regenumhang durchstehe. Und wenn ich ins Konzert oder ins Theater gehe, dann will ich nicht völlig verschwitzt vom Fahrrad steigen und dann mit meiner Frau im Saal sitzen. Einkäufe mache ich mit dem Fahrrad, aber nicht, wenn ich Glas zu transportieren habe. Das liegt ja nicht an mir, sondern an anderen fahrlässigen Verkehrsteilnehmern, die mit ihrem Smartphone vorm Gesicht rumlaufen und dann ohne sich umzuschauen einfach auf den Radweg laufen. Das sind uneinkalkulierbare Stürze, und mit Glas kann das dann gefährlich werden. Generell fahre ich in Dresden mehr mit dem Rad als mit dem Auto. Neulich war ich sogar das erste Mal mit dem Fahrrad allein im Konzert. Die Sonne schien, und ich wollte nicht mit dem Auto in der vollgestopften Tiefgarage unter dem Kulturpalast parken. Und bei den Temperaturen momentan braucht man auch keine Jacke. Außerdem bin ich mit dem Fahrrad in der Stadt sowieso schneller unterwegs.
Lassen Sie uns zum Schluss mal noch kurz zum SZ-Fahrradfest kommen. Was ist für Sie das Besondere daran, warum nehmen Sie immer wieder teil?
Das Schönste daran ist, dass man unter Gleichgesinnten fährt, die einfach Spaß am Radfahren haben. Es herrscht keine Konkurrenz zwischen den Teilnehmern und es ist gleichgültig, wann ich ins Ziel komme. Und man sieht noch einiges von der wunderschönen Landschaft.
Haben Sie noch einen Tipp für Fahrradfest-Neulinge?
Man sollte sich die Strecken auf jeden Fall vorher anschauen und auf einer Karte durchgehen. Planung ist das Wichtigste, damit man seine Kräfte richtig einteilen kann. Den älteren Jahrgängen kann ich sagen: Lassen Sie die Tourenräder mit 21 Gängen. Acht Gänge mit Nabenschaltung sind ausreichend, die kann man viel schneller schalten, und man hat noch den gewohnten Rücktritt als zusätzliche Bremse. Damit ist man leichter und sicherer unterwegs.
Das Gespräch führte Fionn Klose