Marion Pechan ist Expertin für Bewegung und Entspannung bei der AOK Plus und arbeitet seit 25 Jahren im Bereich der Gesundheitsförderung. In ihrer Freizeit unternimmt sie oft Radtouren, gerne auch durch die Berge.
Beim Fahrradfest ist traditionell quasi immer ziemlich gutes Wetter, 30 Grad plus x waren fast jedes Mal die Regel. Auch dieses Jahr sieht es so aus, als würde es wieder ordentlich heiß werden. Worauf müssen Radler bei hohen Temperaturen besonders achten?
Ein wichtiger Punkt betrifft das Trinken. Die generelle Empfehlung an heißen Sommertagen lautet: Circa drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Das klingt erst mal nach einer ganzen Menge, ist über den Tag verteilt aber gar nicht so viel.
Wenn ich also am Fahrradfest teilnehme, dann sollte ich nicht erst trinken, wenn der große Durst kommt und dann alles auf einmal in mich hineinschütten, sondern vor, während und nach der Veranstaltung immer wieder trinken.
Und bitte nicht nur Wasser, sondern auch isotonische Sportgetränke, die die nötigen Mineralstoffe mitbringen. Auch Schorle ist erlaubt – wenn sie ordentlich verdünnt wird. Zu viel Zucker macht nämlich zusätzlich durstig.
Und welche Empfehlungen haben sie für die passende Kleidung? Möglichst kurz, um nicht zu schwitzen?
Eben nicht, das ist auch ein häufiger Irrtum. Klar, luftdurchlässig sollte das Oberteil auf jeden Fall sein, das ist gar keine Frage. Aber es darf auch ruhig etwas Dreiviertel- oder Längärmliges sein, denn das verstärkt den Kühlungseffekt des Fahrtwindes. Sprich: So knapp wie möglich ist nicht zwingend ein guter Rat.
Beim Fahrradfest fahren nicht nur Profis mit, sondern oft auch Teilnehmer, die zum Beispiel von Freunden motiviert wurden, aber eher selten oder gar nicht auf dem Rad sitzen. Was empfehlen sie diesen Leuten, besonders in Hinblick auf die Streckenauswahl?
Also, wenn ich jemand bin, der wirklich ein Jahr oder vielleicht sogar länger nicht mehr Fahrrad gefahren ist und sich sogar ein Leihrad nimmt, dem empfehle ich dringend, auf jeden Fall kleine Brötchen zu backen.
Auf dem Papier sieht das immer nicht sonderlich viel aus, aber bei jemandem, der untrainiert ist, kann es wirklich passieren, dass er die 35-Kilometer-Tour fährt, dann aber zwischendrin merkt, dass er sie gar nicht schafft. Daher: Lieber die kleine Route nehmen und 15 Kilometer mit Freude durchfahren.
Wo wir gerade beim Thema Training sind: Nehmen wir an, ich möchte mich mit Radfahren körperlich fit halten, bin also kein Fan von anderem Ausdauersport wie Joggen. Wie oft und wie lange sollte ich mich dann auf den Sattel schwingen?
Die generelle Minimalempfehlung lautet mindestens eine halbe Stunde Bewegung pro Tag sollte es auf jeden Fall sein. Natürlich gibt es da letztlich Unterschiede, denn 30 Minuten Joggen ist für den Kreislauf deutlich belastender als 30 Minuten Radfahren und damit natürlich letztlich vom Trainingsaspekt her viel effektiver.
Wer aber Laufen einfach gar nicht mag, für den ist das Rad auf jeden Fall eine gute Alternative. Hier ist der Unterschied zwischen Bewegung und Belastung klar herauszustellen. Wer sich deutlich fitter machen möchte, sollte über das Minimum hinausgehen und kann gut und gerne auch eine Stunde pro Tag mit dem Rad fahren.
Einen Vorteil hat das Radeln: Es ist deutlich schonender für die Gelenke als Laufen.
Heißt das, dass Radfahren auch fürs Abnehmen gut geeignet ist?
Auf jeden Fall, besonders wenn der sportliche Zustand noch nicht so gut ist und man mit Übergewicht zu kämpfen hat, ist das Treten in die Pedale eine gute Möglichkeit, überschüssige Pfunde loszuwerden.
Der Vorteil liegt vor allem darin, dass ich beim Radfahren immer wieder ausrolle, also nicht permanent treten muss und die Geschwindigkeit gut variieren kann. Dadurch fällt dieser Druck weg, den man oft etwa beim Joggen verspürt, dieses schnelle Ausgepowertsein, vor allem als Anfänger.
Allerdings besteht auch die Gefahr, dass man die eigene Leistung überschätzt, also dazu neigt, öfter mal langsam zu machen und so nicht effektiv genug zu sein. Gleichzeitig verspüren viele Leute nach längerer Zeit auf dem Sattel Schmerzen im unteren Lendenwirbel - und Gesäßbereich. Das schreckt ab.
Ließen sich solche Schmerzen verhindern oder liegen sie in der Natur des Radfahrens?
Sie lassen sich verhindern! Abhängig von der Sitzhaltung muss der Fahrer an den Sattel passen. Sattelhöhe, -Neigung und die Abstände der Pedale zum Sattel und vom Sattel zum Lenker müssen zum Körper eingestellt sein.
Wir unterscheiden zwischen drei Sitzpositionen: Leistungsorientierte Fahrer nutzen häufig die Rennradhaltung, also stark nach vorne gebeugt.Häufig sieht man die Trekking-/Fitnesshaltung die zwischen 20 bis 45 Grad zur Senkrechten nach vorn geneigt ist. Und natürlich die Holländerhaltung, aufrecht und sehr entspannt.
Die letzten beiden sind für jeden Radtyp machbar. Wichtig ist: Den Rücken möglichst lang machen, niemals gekrümmt sitzen! Und: Zum Radspezialisten vor Ort gehen, um sich alles richtig einstellen lassen. Dann klappt es auch ganz schmerzfrei.
Eine ganz andere Frage: Was sollte ich wann vor Veranstaltungen wie dem Fahrradfest essen?
Am Besten ist hier ein Porridge oder Müsli mit lang anhaltenden Kohlenhydraten und Joghurt oder Quark wegen dem Eiweiß. Eingenommen werden sollte es am besten bis zu einer Stunde vor dem Start. Zwischendrin immer mal wieder ein Müsliriegel oder eine Banane. Es muss aber nicht wie bei einem Marathon eine längere Zeit ohne Essen vergangen sein, bevor man loslegt. Auch große Mengen an Kohlenhydraten sind nicht nötig.
Worauf muss ich bei der Auswahl eines Radtrainingspartners achten?
Immer offen reden, sich langsam herantasten und auch eingestehen, wenn man der Schwächere ist, nicht krampfhaft versuchen, das gleiche zu Niveau erzwingen.
Das Interview führte: Daniel Krüger
Foto: privat