Anne-Marie Bräuer ist jeden Tag mit ihrem Liegefahrrad unterwegs. Beim SZ-Fahrradfest in Dresden nimmt sie in diesem Jahr das erste Mal teil.


Anne-Marie Bräuer fährt jeden Tag mit dem Liegefahrrad durch das Markkleeberger Umland. © Fionn Klose

Der Balkon von Anne-Marie Bräuer ist eine kleine, grüne Oase inmitten eines Wohngebiets in Markkleeberg. Die Sonne scheint durch die Bäume, die im Innenhof stehen, die den vielen Pflanzen auf Bräuers Balkon Schatten spenden.

Seit 2010 lebt die 35-Jährige in Sachsen, kommt ursprünglich aus dem hessischen Gießen. 2015 zog sie aus der Leipziger Innenstadt in das ruhige und beschauliche Markkleeberg. „Mir war das in Leipzig einfach zu laut, durch die vielen Demos“, sagt Bräuer. Sie sei da nie zur Ruhe gekommen.

Auf jeden Fall ist die Gegend rund um die Kreisstadt mit ihren vielen Seen und breiten Wegen perfekt zum Fahrradfahren. Denn das ist eines von Bräuers größten Hobbys. Und sie ist mit einem ganz besonderen Gefährt unterwegs: einem Liegefahrrad. Aus gesundheitlichen Gründen kann sie sich nicht mehr auf den Lenker eines normalen Fahrrads stützen. „Deswegen habe ich über die Otto Perl-Stiftung das Liegefahrrad gekriegt“, sagt Bräuer.

Die „Stiftung Sächsische Behindertenselbsthilfe - Otto Perl“ wurde 1993 gegründet. Sie fördert die Selbsthilfe behinderter Menschen in Sachsen. Über Gelder der Stiftung wurde das 3.000 Euro teure Fahrrad für Anne-Marie Bräuer gefördert. „Ich hatte das eigentlich über die Krankenkasse beantragt“, sagt sie. „Aber Sie wissen ja bestimmt, wie Krankenkassen sind.“ Ihre Anträge seien nur abgelehnt worden. „Die wollten mir einen elektrischen Rollstuhl oder einen Rollator stellen, anstatt ein Fahrrad.“ Über die Diakonie sei sie dann an die Stiftung gekommen.

Beim Fahrradhändler hat sie sich dann ihr Liegefahrrad ausgesucht. Das Geld wurde direkt an den Händler überwiesen. Jeden Tag ist Bräuer damit unterwegs. Und drei Mal in der Woche fährt sie damit zehn Kilometer durch den Wald nach Leipzig zur Therapie. „Aber auch das Fahrradfahren selbst ist für mich Therapie“, sagt sie. „Weil da bin ich frei. Und merke meine Einschränkung für zwei, drei Stunden nicht.“

Wegen ihres Handicaps darf sie keinen Führerschein machen. Das will sie aber auch nicht. „Fahrradfahren ist besser“, sagt sie, und lacht.

Anne-Marie Bräuer schaut hinaus auf den Innenhof. Vogel sitzen in den Bäumen und zwitschern, in der Ferne hört man leise einen Rasenmäher brummen, ansonsten ist alles ruhig. Sie liebt die Natur, besonders den Wald.

Bräuer fährt häufig am Markkleeberger und Störmthaler See entlang. „Wenn ich beide Seen fahre, dann habe ich so 40 Kilometer geschafft“, sagt sie. „Das ist eigentlich die längste Tour, die ich immer mache. Beim SZ-Fahrradfest nimmt sie das erste Mal teil. Sie will die DDV-Lokal-Tour fahren, mit 17 Kilometern ist das nicht einmal die Hälfte der Strecken, die sie bei sich zuhause fährt.

Der anstrengende Teil kommt dann aber nach ihren Touren. „Ich muss das ja immer aus dem Keller holen und das über eine Rampe.“ Die muss sie erstmal aufbauen, alles vorbereiten, das Rad aus ihrem Kellerabteil holen, auf die Rampe stellen. „Das ist schon ein ganz schöner Prozess. Aber mittlerweile ist das zu meiner Abendroutine geworden“, sagt Bräuer.

Dann steht sie auf, schnappt sich ihren Helm und geht aus ihrer Wohnung ins Treppenhaus und hinunter zur Haustür. Davor steht ihr Fahrrad. Es ist nicht angeschlossen. „Das ist aber nicht schlimm“, sagt Bräuer lachend. „Das hat eine Alarmanlage.“ Über eine Fernbedienung schaltet sie sie aus. Denn setzt sie sich auf ihr Liegefahrrad. „Und ich ermutige alle Leute, zum Fahrradfest zu kommen“, ruft sie während sie in die Pedale tritt.

Artikel von Fionn Klose


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