Massenandrang beim SZ-Fahrradfest

Tausende schwangen sich am Sonntag aufs Fahrrad, um gemütlich oder sportlich die Region zu erkunden. Auch für die Helfer war es eine erfüllende Tätigkeit. Es gab nur eine kleine Kritik.


© Holm Helis

Dresden. Dieser Tag musste generalstabsmäßig geplant werden. Familie Graefe wollte unbedingt zusammen beim SZ-Fahrradfest teilnehmen und auch ins Ziel kommen. Die Herausforderung: Es sollte unbedingt die landschaftlich so schöne 65-Kilometer-Strecke sein und mit den Eltern sollten die Kinder – drei und acht Jahre alt – mit!

Dass die Kleinen die Strecke nicht allein bewältigen können, war auch den Eltern klar. Insbesondere die Anstiege aus dem Elbtal hoch nach Arnsdorf waren ihnen bekannt. Mama Josefine pendelt im Sommer gern mal mit dem Fahrrad auf der Strecke zur Arbeit. Also musste improvisiert werden. Während die Mama mit leerem Kindersitz in Dresden losfuhr, nahm Papa Fritz mit den Kindern und zwei Fahrrädern den Bus bis Radeberg. Dort gab es dann wieder den Familienzusammenschluss.

Doch die Freude währte nur kurz. Zwar hatten sie den höchsten Punkt der Strecke elegant überbrückt. Doch bei etwa Kilometer 38 war Schluss mit lustig. Insbesondere die Schöne Höhe zwischen Dittersbach und Elbersdorf hatte es in sich.

„Da mussten wir dann schieben“, erklärt der Papa. Der Dreijährige saß inzwischen im Kindersitz von Mamas Fahrrad. Und Papa hat das Kinderfahrrad der Siebenjährigen bei sich hinten angehängt. Die Kupplung war schon montiert. Dass es bergauf bei der Tochter Schwächephasen geben musste, darauf war die Familie eingestellt.

Beim Schieben hatten die Graefes Leidensgenossen neben sich. Daniel Fekete ist mit Fahrradanhänger losgefahren. „Der dürfte fast 40 Kilogramm wiegen“, sagt der Vater. Das vierjährige Kind darinnen guckt vergnügt. Die Höhenmeter hatte er unterschätzt. „Wie schwer die Strecke wirklich ist, konnte man vorher nicht so genau ablesen“, sagt er.

Für die Graefes begann der Abenteuertag mit dem Wecken früh um sieben. Zu diesem Zeitpunkt stand Jana Münster schon auf dem Parkplatz am Lidl in Pirna-Copitz und hat mit ihrem Team den Verpflegungsstand aufgebaut. Die rund 1.300 Fahrer, die die längsten Strecken über 65 und 100 Kilometer in Angriff genommen hatten, kamen dort vorbei. Mehr als 3.000 Flaschen Wasser, Berge von Obst und Müsliriegeln wurden bereitgestellt. Es wurden auch extra zusätzliche Fahrradständer aufgebaut. Auf den langen Strecken sind viele mit Rennrädern unterwegs. Die haben in der Regel keinen Ständer am Fahrrad.

„Das ist ein schönes Gefühl, mit so vielen Gleichgesinnten unterwegs zu sein“, sagt Thomas Freitag. Der 51-Jährige gehört zu denen, die mit Sportrad unterwegs sind und bedankt sich für die tolle Organisation bei den Helfern.

Zu denen gehört auch Geraldine Bräuer. Sie winkt noch mal alle Radfahrer zu sich an den Stempelstand. Damit wird die Teilnahme an einer Sportveranstaltung quittiert. Manche Krankenkassen belohnen das in ihrem Bonusprogramm.


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Ein Verletzter auf dem Elberadweg

Eigentlich ist Bräuer bekennende Autofahrerin und schimpft auch mal über „rücksichtslose Radfahrer“. Beim Fahrradfest hilft sie trotzdem gern mit. „Hier sind alle freundlich und glücklich“, sagt sie. Und das stecke eben auch an. Das Ehrenamt könne dann auch erfüllend sein, selbst wenn man nicht mitstrampelt.

Dann rollt Philipp Koppatz mit einer schweren BMW auf den Parkplatz. Sein Motorrad ist mit Signalfarben markiert. Koppatz ist ehrenamtlich als Sanitäter im Einsatz. „Zum Glück gab es noch nicht viel zu tun“, sagt er. Anders auf dem Elberadweg. Dort stießen bei Radebeul zwei Radfahrer zusammen. Einer verletzte sich schwer. Ein Rettungshubschrauber kam zum Einsatz. Lebensgefahr besteht nach ersten Informationen aber glücklicherweise nicht. Nach dem zweiten Unfallbeteiligten fahndet die Polizei. Der fuhr offenbar davon.

Kurz nach 12 Uhr wird es in Pirna ruhiger. Der größte Schwung ist durch. Das hat aber auch zur Folge, dass die Bananenkisten schon komplett geleert sind. Auch die begehrten Knacker sind alle weg.

Jetzt kommen aber erst die Graefes in Copitz an. Mit Freude haben sie die Schilder gelesen, die angezeigt haben, dass es nur noch 500 und dann nur noch 100 Meter bis zur Verpflegungsstelle sind. Umso enttäuschter sind dann die Blicke der Familie auf die geleerten Tische und Kisten. Damit sind sie nicht allein. „Gerade wir hätten es doch nötig gehabt, noch mal ordentlich Energie zu tanken“, sagt eine 70-Jährige, die in Pirna 80 von 100 Kilometern hinter sich hatte. „Das ist echt ein kleiner Wermutstropfen, wo doch alles andere so toll organisiert ist, alle gefährlichen Stellen waren gut abgesichert“, sagt Christine Büttner, die mit den Graefes befreundet ist und sie ein Stück des Weges begleitet hat.


© Holm Helis

Abschluss auf dem Theaterplatz

Doch die Kinder strahlen sofort wieder, als Mama Josefine in die Fahrradtasche greift und ihren vorbereiteten Proviant hervorholt. Nüsse, Falafel und Weintrauben gibt es unter anderem. Graefes haben nichts dem Zufall überlassen. Die letzten 20 Kilometer geht es dann auch nur noch flach über Graupa und Pillnitz zurück zum Theaterplatz in Dresden.

Dort ist schon längst ein Bühnenprogramm im Gange, lassen sich die müden Radler auf den Bänken nieder, mit kühlen Getränken oder süßen Crepes.

Eine spektakuläre Show liefert BMX-Flatland-Fahrer Dustyn Alt. Seinen Sattel benutzt er gar nicht, sondern dreht sich meist auf einem Rad. Das Publikum jubelt. „Das ist für jede Art von Radfahren gut, wenn es solche Familienfeste für alle Generationen gibt“, sagt er. Insbesondere weiblichen Nachwuchs könne auch die BMX-Szene gut gebrauchen. Eine Disziplin ist schon olympisch, Flatland aber noch nicht.

Derweil erreichten auch die Graefes das Ziel. Stolz zeigen die Kinder ihre Medaillen. Sie waren nicht nur dabei, sondern haben sicherlich auch mit ihren Eltern bei den Anstiegen mitgelitten. Beim SZ-Fahrradfest haben sie schon oft teilgenommen. Mama Josefine war schon mal auf dem langen Kanten von 120 Kilometern dabei. Dieses Mal sollte es aber ganz in Familie sein. Nach einer kurzen Stärkung auf dem Theaterplatz geht es dann wieder nach Hause. Das liegt oberhalb in Bühlau. „Ich denke, wir nehmen für die steile Grundstraße jetzt den Bus“, sagt Vater Fritz. Mama Josefine lächelt dankend und nickt glücklich. (SZ)

 


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