Trotz extremer Temperaturen starten Tausende beim 20. SZ-Fahrradfest. Beim Abkühlen sind die Radfahrer äußerst kreativ.
Sind es wirklich 38 Grad? Oder doch „nur“ 35? Die Meinungen über das Quecksilber sind am Sonntag geteilt. Gefühlt sind sich beim 20. SZ-Fahrradfest aber alle einig: Es ist extrem heiß. Und schwül. Schwitzwetter eben. Zum Glück sind die grünen TShirts der rund 9 000 Teilnehmer atmungsaktiv. Sechs Strecken zwischen elf und 150 Kilometern stehen zur Auswahl. Start und Ziel ist jeweils der Dresdner Theaterplatz. Fahrer und Helfer versuchen, der Hitze zu trotzen.
„Wir sind vorbereitet“, sagt Ronny Paul zuversichtlich am Sonntagmorgen. Er ist der Abschnittsleiter der Johanniter auf dem Theaterplatz. Vorsorglich haben die Sanitäter mehr Infusionen geordert als in den Jahren zuvor. Ganze 15 Kisten stehen bereit. Bei dem 15-jährigen Konstantin Blanke, der augenreibend das Zelt betritt, kommen diese nicht zum Einsatz. Er hat akuten Heuschnupfen, braucht eine Augenspülung. Nichts Schlimmes also. Und das Sani-Zelt ist angenehm klimatisiert.
So leicht haben es die Fahrradfahrer außerhalb des Zeltes nicht. Keine Wolke schiebt sich vor die Sonne. So scharen sich die luftig gekleideten Teilnehmer auf den wenigen Schattenplätzen. Im Gepäck: „Natürlich reichlich zu trinken“, sagt Carola Schmidt, während sie sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischt. Die Kesselsdorferin will die 30-Kilometer-Strecke packen – mit Wasser und ab und an einem Biss von einer grünen Gurke.
Andere Teilnehmer haben ausgefallenere Ideen. Ein nasses Tuch im Nacken oder unter dem Helm gilt als der beste Tipp unter dem Fahrerpulk. Wie eine La-Ola- Welle breitet sich die Idee an der Startlinie aus und immer mehr Fahrer erinnern beim Losradeln an Drahtesel-Scheichs. Wiederum andere Radler wickeln ihre Flaschen in Alufolie – „so bleibt das Wasser kühl“, ruft eine Frau den Umstehenden zu, die durch das Knistern der Folie aufmerksam geworden sind. Kühle Waden behält ein Starter, der sich eine Dose mit Eisspray in den Rucksack gepackt hat und seinen Beinen ab und an einen Hieb gönnt. Neidische Blicke erntet ein Mann aus Pirna. Dessen Fahrradhelm sitzt ungewöhnlich weit oben auf dem Kopf. Der Grund: Unter dem Plastik verstecken sich eiskalte Gelkompressen. „Am Anfang friert das Gehirn ein bisschen ein“, gibt er lachend zu. „Aber dann ist es so, als würde man einen Kühlschrank unterm Helm tragen.“
Auch Peggy Strohbach hätte gerne einen Kühlschrank, um ihren Kopf hineinzustecken. Die junge Frau aus Cossebaude ist eine der vielen freiwilligen Helfer, die beim SZ-Fahrradfest Getränke und Snacks verteilen. Auf der Radebeuler Festwiese schwitzt sie fast genauso sehr wie die Radler, wie sie selbst sagt. Sie hatte sich für den Posten an der Apfelschorle gemeldet, bevor der Wetterbericht die wüstenähnlichen Temperaturen vorhersagte. Einen Rückzieher wollte sie dann nicht mehr machen. So denken wohl die meisten Teilnehmer der Jubiläumsausgabe des Fahrradfestes. 9.080 Radler im Alter von einem bis 91 Jahren haben sich eine Startnummer geholt. Ein positives Resümee zieht die Marketingleiterin der DD+V-Mediengruppe, Susann Puschke, die seit vielen Jahren für das Fahrradfest verantwortlich ist. „Trotz der extremen Hitze, die sowohl für die Fahrer als auch die Helfer sehr anstrengend war, sind die meisten gut durch den Tag gekommen.“ Unfälle hatte die Polizei keine zu vermelden. Lediglich drei Personen kamen wegen eines schwachen Kreislaufs zur Beobachtung ins Krankenhaus. Nur die Fahrradfest-T-Shirts, die wurden in Mitleidenschaft gezogen. Am Ende des Tages sind sie durchweg dunkelgrün geschwitzt.
Nancy Riegler, Sächsische Zeitung (6.7.2015) | Fotos: kairopress (5), Norbert Millauer