Die ehemalige DDR-Sportlerin Christa Luding-Rothenburger nahm am Sonntag am SZ-Fahrradfest teil. Und das nicht zum ersten Mal.
Für die Sportlerin Christa Luding-Rothenburger war die Strecke weniger anstrengend als für viele andere.
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Es ist kurz nach 8 Uhr am Sonntagmorgen. Nur noch knapp zehn Minuten bis zum Start. Die Start- und Ziellinie des SZ-Fahrradfestes auf dem Theaterplatz sieht fast aus wie zur Tour de France, bloß in einer Mini-Version. Sogar ein Führungsfahrzeug mit orangenen Rundumleuchten fährt voran. Aber es fehlt das Jubeln des Publikums, das an den Straßenrändern mit beschrifteten Schildern steht. Was überwiegt, ist die gute Laune beim 27. SZ-Fahrradfest. Überall sieht man lachende Gesichter, kleine Kinder preschen mit ihren Rädern voran, in Vorfreude auf die Fahrradtour mit den Eltern.
Inmitten der Startbahn umgeben von vielen grünen T-Shirts steht Christa Luding-Rothenburger. Sie kennt die Atmosphäre, die bei einem Wettkampf herrscht, nur zu gut. Aber das Fahrradfest ist kein Wettbewerb. „Ich mache das heute ganz entspannt“, sagt die ehemalige Olympionikin. Es ist nicht das erste Mal, dass die 63-Jährige eine der Touren mitfährt.
Noch fünf Minuten. Luding setzt sich ihren Helm auf und steigt auf ihr rotes Fahrrad. „5,4,3,2,1“, ruft die Moderatorin durch die Lautsprecher. Dann ein lauter Knall. Luding tritt in die Pedale und startet ihre 30 Kilometer lange Tour nach Radebeul und zurück.
Die Weltspitze des Sports
Sie fährt die ganze Zeit im vorderen Feld mit. Die ehemalige DDR-Eisschnellläuferin und Radsportlerin überholt regelmäßig andere Teilnehmer. Nicht überraschend, schließlich gehörte sie in den 80er-Jahren zur Weltspitze in ihren Sportarten. Zwischen grünen Wiesen, zirpenden Grillen und zwitschernden Vögeln schießt das rote Fahrrad von Luding in Richtung Festplatz Radebeul. Sie hängt sich an eine Radfahrerin vor ihr dran und fährt in ihrem Windschatten. Das erinnert an ein Rennen beim Bahnradfahren.
Sie ist eine der Ersten, die den Verpflegungspunkt für die Fahrradfestler erreichen. Unter einem Sonnenzelt sitzt die Sportlerin mit etwas angerötetem Kopf. Man merkt, die Tour ist keine große Anstrengung für die gebürtige Oberlausitzerin. Sie redet ruhig und mit entspannter Stimme über den Beginn ihrer Sportkarriere. „Mit sechs Jahren habe ich mit Eiskunstlauf angefangen. Meine Mutti hat mich in Weißwasser zum Training geschafft. Da haben wir dann zwei bis dreimal in der Woche trainiert.“ Später wurde die Sektion Eiskunstlauf in Weißwasser aufgelöst. „Und dann bin ich umgestiegen auf Eisschnelllauf und konnte da einige Erfolge verzeichnen.“ 1974 ging sie auf die Sportschule. Nur fünf Jahre später stand sie dann auf dem Sieger-Podest – der dritte Platz bei ihren ersten Sprint-Weltmeisterschaften. Ein Jahr später trat sie bei Olympia als Favoritin an. „Da habe ich den zwölften Platz belegt und war echt am Boden zerstört“, erzählt sie, während sie an ihrem Wasser nippt. „Da wollte ich schon aufhören.“
Vom Eisschnelllauf zum Radsport
Doch sie fasste neuen Mut. Ihr Trainer Ernst Luding, den sie später auch heiratete, hatte an sie geglaubt und sie aufgebaut. „Mit ein paar Höhen und Tiefen war mein erster richtiger Erfolg 1984 als Olympiasiegerin im 500-Meter-Lauf.“ 1988 gewann sie wieder die Goldmedaille bei Olympia im Eisschnelllauf über 1.000 Meter. Auch Weltrekorde stellte sie auf. „Die sind aber mittlerweile alle geknackt worden“, sagt Luding.
Hinter ihr hält ein Pärchen mit einem Tandemrad an. An beiden Lenkern sind Kaffeebecher befestigt. Das Paar macht ein Selfie und geht in Richtung Getränkestand. Luding schnappt sich einen Verpflegungsgutschein. „Ich hole mir schnell eine Banane“, sagt sie. Nach kurzer Zeit kommt sie wieder und erzählt, wie sie zum Radsport kam.
„In meiner Zeit als Eisschnellläuferin trainierte ich viel auf dem Fahrrad und fuhr damit auch zu den Trainings.“ Außerdem wollte sie auch im Sommer Wettkämpfe bestreiten. Ihre Sprintleistungen kamen ihr beim Fahrradfahren zugute. Auch im Radsport holte sie später vor allem bei den DDR-Meisterschaften mehrere Goldmedaillen nach Hause. 1988 nahm sie auch bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul teil, diesmal als Bahnradfahrerin im Sprint. Gegen ihre Konkurrentin Erika Salumäe verlor sie im entscheidenden Durchlauf und gewann die Silbermedaille. „Das war so knapp“, sagt sie und bildet zwischen Daumen und Zeigefinger einen wenige Zentimeter großen Abstand. Sie nimmt es aber sportlich.
Luding will weiter. Sie schnappt sich ihren Helm, schließt das Schloss ihres Flitzers auf. Wenig später fährt sie an der Elbe entlang. Die Silhouette Dresdens kommt immer näher. Die Sonne scheint angenehm warm.
Später sitzt Luding auf einer Bank und schaut den Menschen zu. „Die Strecke war schön“, sagt sie. „Und relativ einfach, weil sie so flach war.“ Sie mag Berge nicht so. „Deswegen fahren wir dann mit dem Auto nach Hause“, sagt sie und lacht.
Artikel von Fionn Klose